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  Critics cleines Blog - wie die amerikanische Axt im Waldi
Boris Johnson, der neu gewählte Bürgermeister von London, hat mir bereits manch frohe Stunde beschert. Hingegen Leute, die ihn wegen der lustigsten Strohfrisur seit "Der Wizard von Oz" gewählt haben, sind perplex. Umsichtig, forsch, bedacht, anpackend, visionär – all das ist Boris nicht. Auch wenn er gerne diesen Anschein mit seiner Neuebesen-Taktik erwecken würde. Seine "unabhängigen" Gutachterkommissionen haben in Windeseile festgestellt, daß sich die Finanzen wegen der Vetternwirtschaft seines Vorgängers Ken Livingstone im Geiersturzflug befinden. Um dem Einhalt zu gebieten, hat Johnson in kürzester Zeit das Rathaus mit alten Kumpels aus Studientagen versorgt und damit jene finanziell. Aber immerhin ist es nun eine ganz andere Familienbande. Sein Politikverständnis bleibt dabei von erfrischender Simplizität. Seine Berater erkennen ein Problem, Boris dekretiert dessen Abschaffung, et voilá - Freizeit! Eine seiner ersten Amtshandlungen war der Befehl an den Chef der Metropolitan Police, die Verbrechensrate um ein Drittel zu senken. Man könnte den Bürgermeister glatt für die Reinkarnation von Erich Honecker halten, sprächen nicht gewichtige Gründe dagegen. Zwingende Gründe wie sein Geburtsjahr.

Richtig ansehnlich werden des Kaisers neue Kleider durch symbolische Ersatzhandlungen, mit denen er seine populistischen Manöver kaschiert. Jene Vorführungen lassen das Wort Budenzauber wie die Bezeichnung für den Studiengang einer Fachhochschule aussehen. Verwundern sollte das niemanden, der den Wahlkampf auch nur für zehn Minuten verfolgt hat. Da gab Johnson schon den Klassenclown, der zwar die direkte Auseinandersetzung mit den politischen Gegnern scheute, aber in der Öffentlichkeit mit großspuriger Tingeltangelbob-Gestik auftrat. Sein Konzept der Kriminalitätsbekämpfung, neben der Freiefahrtfürfreibürger-Rhetorik jenes Themenfeld, das bei seinem beschränkten Horizont noch Platz in seinem Blickfeld fand, hat er auf unnachahmliche, weil für ihn typische Weise vorgeführt. Kinder im Alter von ca. 12 Jahren mussten unter seiner Aufsicht Wände schrubben, die sie mit Graffitis beschmiert hatten. Die Russenmafia ist einen Tag später geschlossen nach Sibirien exiliert, großes Fischsterben in der Themse, weil alle ihre Drogen ins Klo geschüttet hatten, und Jack the ripper kam aus seinem Grab, um sich zu stellen.


Schwerstverbrecher (links rechts mit "Payback London"-Weste)

Vor diesem Hintergrund sind auch die Ereignisse der Tube-Trinkgelage am 31.5. zu verstehen. Es war die Decouvrierung einer vollkommen lächerlichen Idee von Johnson. Schließlich steigen 98% der Besoffenen schon volltrunken in die U-Bahn, so sie denn noch steigen können. Andererseits eine gelungene Ablenkung für eine andere Aktion von Johnson. Kurz vorher wurde von ihm Tim Parker als Deputy berufen, um die U-Bahn aus dem, so Johnsons Darstellung, Würgegriff der Gewerkschaften zu befreien. Die U-Bahnergewerkschaft RMT hat auf diese Berufung entsetzt reagiert, da Parker sich für seine kostensparenden (Neusprech für "geldumschichtenden") Umstrukturierungsmaßnahmen bei anderen Firmen einen Namen gemacht hat. Den Spitznamen "Prince of darkness". Die Londoner Tube, die eh schon marode wie kein zweites Nahverkehrssystem ist, wird sicherlich nicht als Gewinner am Ende dastehen. Die Pendler vermutlich auch nicht.
Aber vielleicht ich, wenn ich mich als Verkehrsberater bei Johnson verdinge und ihm den Vorschlag verkaufe, das Gesamtpaket aus Congestion-Charge- und Nahverkehrssystem an eine Mineralölfirma zu verscherbeln. Das Desaster kann er bestimmt genauso wie die ihn überfordernde Finanzierungslücken für Olympia 2012 seinen Vorgängern anhängen. Wenn nicht, kann er immer noch ein Witzchen darüber reißen. "Treffen sich zwei AIDS-kranke Neger auf dem Arbeitsamt..." dürfte ein guter Einstieg für das avisierte Zielpublikum sein.

Update Freitag, der 13.: Als ob man nicht schon wüßte, daß Boris Johnson keine Verbindung zur gesellschaftlichen Realität hätte, muß er es immer wieder aufs Neue bestätigen. Sein letzter Vorstoß zur Bekämpfung der Jugendkriminalität: Lateinunterricht für gewalttätige Jugendliche. Langsam beschleicht mich das Gefühl, auch seine früheren Witze waren eigentlich ernstgemeinte Vorschläge.

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