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  Critics cleines Blog - wie die amerikanische Axt im Waldi
Dienstag, 29. April 2008
Du weißt es, ich weiß es. Wir hatten es nie so wirklich leicht miteinander. Wir wohnten mitten in Berlin dicht bei dicht; ich nahm keine Rücksicht auf Dich, Du nahmst keine Rücksicht auf mich. Meine Gäste fanden es erheiternd obskur, wenn Deine Gäste immer wieder im Tiefflug auf meinen Balkon zusteuerten und uns doch jedes Mal um Meterbreite verfehlten. Mir schien es mit der Zeit nicht faszinierend mehr, lästig nur noch war Dein lautes Gebaren, die fehlende Rücksicht auf den Schlaf der Nachbarn, der Dreck, für den Du Dich nie verantwortlich fühltest.
Dennoch tut es mir leid, Dich heute in derartiger Gesellschaft zu sehen. Millionenschwere Schran- zen, die Dir die Ohren vollsingen, wie unver- zichtbar Du seiest und wie besorgt im In- und Ausland man auf Dein baldiges Ableben starren würde. Markiges Gebrüll nur, um ihr eigenes gieriges Knurren zu übertönen. Warum mir bei diesem Anblick das Herz schwer wird? Weil ich in Deiner Nähe erfüllende Liebe fand wie messertiefen Schmerz erlitt. Ich weiß auch nicht, ob Du je meine wohlmeinenden Blicke bemerkt hast, wenn nachtblaue Muster Du auf samtgeschwärzte Erde maltest. Du warst ja immer so beschäftigt mit Dir selbst.

Das wird bald vorbei sein. Die Wehmut überdeckt der Gedanke, daß auf Deinem Rasen dann bei Vollmond Füchse tanzen werden. Und sollte jemals ich melancholisch Dich vermissen, dann wird das Ende von Billy Wilders One, Two, Three mich trösten. Umhüllt von forschem Stolz, den ich zu meiner Zeit nie an Dir sah, bist angekommen Du, wo Dir ein Platz gebührt. In der Vergangenheit.

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Dienstag, 22. April 2008
Petitionen sind eigentlich eine dufte Sache, denn sie demonstrieren den Volkswillen. Der ist in linken Kreisen hochgeschätzt, ungeachtet allen Schwachsinns, den er (also jetzt nicht gewollt mißverstehen als: der linke Kreis) im vergangenen Jahrhundert angerichtet hat. Der Volkswille ist, wenig überraschend, sumpfig schwankend. Mal beschäftigt er sich mit den wie immer zu hohen Steuern, mal gurkt ihm das Vorurteil durch den Wasserkopf, der Ausländer sei an allem schuld, mal ist ihm das verquere Gesamtwerk von Uwe Boll ein Dorn im Auge. Der hatte in einem Interview mit Fearnet großmäulig verkündet, eine bestehende Liste mit 18.000 Unterschriften würde ihn nicht vom weiterem Filmausstoß/Videospielverhunzen abhalten, dazu müßten schon eine Million Unterzeichner her. Daraufhin gab es einen regelrechten Boom; innerhalb einer Woche machten sich ca. 200.000 Bollsche Retinainvaliden Luft. Inzwischen ist der Herr Doktor schon zurückgerudert, nein, nein, so ernst sei das ihm nicht gewesen und außerdem dürfe er doch nicht weitere seiner Machwerke allen seinen Fans vorenthalten. Allen 2.000.

Dennoch können in Zeiten des kapitalistischen Machtgefüges Petitionen eine Artikulationsmöglichkeit der Unterdrückten sein. So weit die Theorie. Damals, an meiner Grundschule in Ostberlin, vulgo POS, kamen mir erste Zweifel am Sinn derartiger Meinungsäußerungen. Erklärt wurde mir das Prinzip Petition anhand unserer Postkartenaktion für Angela Davis. Die saß als Negerin (so weit war damals die Sprachbildung der Unterstufenlehrer noch nicht, daß man Schwarze gesagt hätte) ungerechtfertigterweise im Gefängnis, irgendwo ziemlich weit weg, mindestens aber hinter der weißen Mauer zu Westberlin, an der man prima Fußball spielen konnte. Daß es mit dem Einsperren von ihr nicht gerecht zugegangen sein musste, war klar, denn wir hatten davon schon beim Fahnenappell gehört. Also sollten wir ganz viele Postkarten schreiben, damit der böse Kapitalismus sie freilässt. Dies war wiederum überhaupt nicht für einen Zehnjährigen einleuchtend. Warum sollte der US-Imperialist in seiner grenzenlosen Gemeinheit nicht einfach meine liebevoll gestaltete Postkarte wegwerfen und Angela Davis entsprechend Generalplan im Gefängnis verrotten lassen? Die Antwort des Lehrkörpers war vorerst zufriedenstellend. Wenn einer eine Karte schreibt, dann wird diese Karte fix im Papierkorb entsorgt. Wenn etliche Leute eine Postkarte schreiben, dann wird ein Sack davon weggeworfen. Aber wenn ganz viele Leute diese Aktion unterstützen, dann wird irgendwann nicht mehr diese postalische Flut ignoriert werden können.

Bei genauerem Nachdenken erwies sich das Konstrukt als nicht schlüssig. Schließlich hatte man uns beigebracht, daß der Kapitalismus auch vor Mord nicht zurückschrecken würde. Warum sollte er also nicht ein kleines Feuerchen entfachen, um sich der ungeliebten Briefe zu entledigen? (In meiner kindlichen Vorstellung natürlich direkt neben dem Gefängnistor – als ob die Verantwortlichen vollkommen überrascht im Knast feststellen, daß all die Karten für Angela waren und, nachdem alle Teppiche und Kommodenschubladen sich schon wegen zu versteckender Karten wölbten, ganz einfach den erstbesten Platz vor dem Gefängnistor nahmen - der natürlich detailgetreu in meiner Phantasie so aussah, wie jener aus den Olsenbandenfilmen.) Ich wagte aber nicht noch einmal nachzuhaken, da die Lehrer schon beim ersten Mal innerlich die Augenbrauen hoben ob meines klassenstandpunktunverträglichen Gefrages.

Auch heute denke ich noch, daß die mir gegebene Antwort ein Knackpunkt der offiziellen Argumentation war. Man hätte zum Beispiel viel cleverer reagieren können und Angela Davis eigene Worte vorwegnehmen können: "Als ich damals in der Gefängniszelle saß in Kalifornien, habe ich viele Stunden, Tage und Wochen damit verbracht, die Postkarten zu lesen, die von Schulkindern geschrieben worden waren für die Kampagne »Eine Million Rosen für Angela«." Die Petition ist schließlich auch eine Sympathiebekundung für den Unterdrückten, der sich trotz Ausgrenzungsstrategien seitens der Gesellschaft mit seinen Aktionen nicht mehr so vereinzelt fühlt. Ja, genau. Das böse S-Wort.
Vielleicht sind aber auch nicht alle Menschen einfach nur Charaktermasken des Kapitals. Nicht jeder Beamte ist zum Pinochet ausbaubar und so mancher Verantwortliche ist einfach nur ein kleiner Spießer, der sinnlos beharrlich seinen einmal eingeschlagenen Weg verfolgt, bis eine Kraft ihn von seinem Kurs abbringt. Man sieht schon, wo der Spruch vom kometenhaften Aufstieg seine Ursprünge hat.

Mit diesen Gedanken im Kopf habe ich meine frühkindliche Prägung leichterhand über Bord geworfen und jene Petition unterzeichnet, die die thailändischen Zensoren zum Umdenken bewegen soll. Diese hatten Apichatpong Weerasethakuls neuen Film Sang sattawat (Syndromes and a Century) nicht nur beanstandet, etwas, das man in Deutschland, natürlich nur zum Schutz der armen Kinder, zur Genüge kennt, sondern sie wollten die vorgelegte Filmkopie auch nur in ihrer geschnittenen Form wieder rausrücken. Diese staatliche Zugriffsmöglichkeit auf künstlerische Werke sollte angeprangert werden. Vor allem, weil die Petition sich über den aktuellen Fall hinaus erhebt und eine generelle Reform des veralteten rechtlichen Hintergrundes verlangt.

Ach ja, und wenn wir hier gerade so gemütlich beim Online-Protestieren sind, dann sollten wir uns auch nicht verweigern, die folgende Forderung zu unterstützen: "Free Hat!"
Aber dalli, zack, zack!

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